Nachlese zum Gespräch mit Dr. Hermann Bleier (Jurist) am 19.5.03 im transpublic.
Von Peter Arlt

Rechtlich betrachtet ist der begriff "öffentlicher raum" nicht existent. Das für die nutzung des öffentlichen raums wesentliche gesetz ist die strassenverkehrsordnung, in der geregelt ist was im öffentlichen raum erlaubt ist und was nicht.
Grundsätzlich ist im öffentlichen raum alles - im rahmen der widmung - erlaubt. Die widmung ist allerdings einzig und allein der verkehr - also ist alles erlaubt, was den verkehr nicht beeinträchtigt. Die strassenverkehrsordnung kennt weder urbanes leben, noch kommunikative oder soziale aspekte des öffentlichen raums.
Alles was über den verkehr (auto-, rad- wie fußgängerverkehr hinaus geht bedarf der genehmigung und ist eine sondernutzung des öffentlichen raums. Das beginnt beim einzelnen stuhl, den sich jemand vor seine haustüre stellt. Alles was irgendwie auf der strasse (bzw. dem gehweg) zu stehen kommt, ist genehmigungspflichtig. Daher ist ein bauchladen nicht genehmigungspflichtig, weil der quasi auf den beinen eines fußgängers steht. Höchstens dann, wenn die person samt bauchladen andere behindert. In diesem zusammenhang gibt es auch den tatbestand des "unbegründeten stehenbleibens", wenn durch dieses stehenbleiben der fußgängerverkehr behindert wird. Etwas vereinfacht (und überspitzt) kann man behaupten, dass alles, was sich nicht in angemessenem tempo von a nach b bewegt bereits eine sondernutzung darstellt.

Grundsätzlich gilt es bei sondernutzungen immer abzuwägen, ob die beeinträchtigung anderer in ihrer benützung des öffentlichen raums mehr zählt als die individuelle (außergewöhnliche) benützung durch einzelne. Dieses abwägen kann als ergebnis auch eine zeitliche und räumliche einschränkung der sondernutzung sein. es ist also neben der eigentlichen nutzung immer auch ort und zeitpunkt bzw. -dauer zu berücksichtigen, daher ist das von fall zu fall zu entscheiden.

In der kunst im öffentlichen raum geht es ja meistens darum, neue sicht- und nutzungsweisen des öffentlichen raums zu ermöglichen. Damit steht man automatisch im gegensatz zur normalen nutzung. Sie bedarf also - im normalfall - der genehmigung (zb. veranstaltungsbewilligung), bei der abzuwägen ist, ob das dem normalen passanten zuzumuten ist bzw. wo, wielange, in welcher form, inwieweit der normale passant in seiner nutzung des öffentlichen raums gestört und behindert wird usw.. Es muß also zwischen der freiheit der kunst und dem sicherheits- und ordnungsbedürfnis der bevölkerung abgewogen bzw. ein kompromiß gefunden werden, der sich in den auflagen für die veranstaltungsgenehmigung widerspiegelt.

In der praxis wird natürlich nicht alles exekutiert was möglich wäre. Es kann aber durch die gesetzlichen grundlagen, die auch einen gewissen handlungsspielraum lassen, zu änderungen in der vollzugspraxis kommen: es können also zb. auf gewissen plätzen wo man bisher tolerant-kulant vorgegangen ist, quasi neue regeln eingeführt werden, weil sie zb. aufgewertet werden sollen oder gewisse interessen sich gestört fühlen. In linz ist die donaulände so ein punkt, wo durch das lentos ein verstärktes sauberkeits- und ordnungsbedürfnis der politik durch verstärkte kontrollen und eine zero-tolerance-strategie der polizei befriedigt werden soll. In diesem fall werden dann vor allem ästhetische vorstellungen des öffentlichen raums einzelner (mächtiger) gesellschaftlicher gruppen normativ und führen zu nutzungseinschränkungen für andersdenkende und andersnutzende. der öffentlichen raum ist dann nicht nur der raum in dem sich die ganze gesellschaftliche vielfalt zeigt und gesehen werden kann bzw. muß, er ist dann auch der raum in dem sich gewisse gesellschaftliche interessen durchsetzen können und andere nicht. Man könnte aber behaupten, dass sich die qualität eines öffentlichen raums darin ablesen läßt, ob er die gesellschaftlich schwächsten gruppen toleriert oder ausschließt.

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