Nachlese zum Gespräch mit Dr. Walter Widholm (Linzer Polizeidirektor) am 30.6.2003 im transpublic.
Von Peter Arlt

Dr. Widholm: In der strassenverkehrsordnung (stvo) wird öffentlicher raum so definiert: "jene örtlichkeiten, die von jederman unter den gleichen bedingungen erreicht oder befahren werden können". Das können auch privatgründe sein wie zb. die großarkplätze von einkaufszentren - dort gilt auch die stvo. Also überall, wo es sich um strassen und gehwege handelt. Grünflächen, parks sind ausgenommen. Dazu gibt es eigene grünflächenverordnungen der jeweiligen gemeinden.
Und dann gibt es noch den begriff öffentlichkeit im sicherheitspolizeigesetz, wo es um die aufrechterhaltung der öffentlichen ordnung an öffentlichen orten geht: "Öffentliche orte sind solche, die von einem, nicht im vorhinein bestimmten personenkreis betreten werden können."
Mehr steht dazu im gesetz nicht. Das ist ein satz. Dazu gibt es noch eine - dürftige - judikatur.

Auch die störung der öffentlichen ordnung hat darin ihren ursprung. Eine ordnungsstörung kann nur an einem öffentlichen ort begangen werden.

Publikum: Ich finde es gut, dass der öffentliche raum eigentlich nicht geregelt ist, weil er dadurch ein freiraum ist. meistens ist es ja so, dass je mehr man regelt, desto mehr einschränkungen entstehen. Und in diesem fall ist nicht geregelt, was im öffentlichen raum passieren darf und was nicht.
Kann man eigentlich tendenzen in der nutzung feststellen, also wird er eher stärker genutzt oder nicht. Dass sich die leute soviel in die wiese setzen, das hat es in der massivität vor 10, 15 jahren nicht gegeben.

Dr. Widholm: Ich bin auch der meinung, dass man öffentlichen raum großzügig definieren und einer großen interpretation, nämlich im positiven - großen spielraum lassen sollte. Zur tendenz können wir schon sagen, dass diese geschichte mit donaulände, mit hauptplatz - die gibt es erst seit einigen jahren. Es wird immer mehr vom öffentlichen raum gebrauch gemacht. ob dies in kleineren parkanlagen ist oder auf spielplätzen, wo diese öffentlichen anlagen mittlerweile über die generationen hinweg genützt werden, was allerdings auch zu problemen führt. Wir stellen auch deshalb eine verstärktere nutzung fest, weil wir dort verstärkt einschreiten müssen - was wir früher nicht mussten, weil keine aktivitäten stattgefunden haben.
Ich persönlich finde es gut, dass man sich in den öffentlichen raum begibt und dort aktivitäten setzt. Wir sind auch dagegen, dass man den öffentlichen raum, stichwort donauraum, dass man die nutzung beschränkt, indem man ein rasenbetretungsverbot erlassen würde. Das führt erst recht zu problemen, zu aggressionen, denn die jugend läßt sich nicht mehr einfach sagen, da nicht hineinzugehen. Diese tendenz, sich in grünanlagen aufzuhalten und campierartig zu essen oder sich zu vergnügen, die kommt erst jetzt zu uns nach österreich. Das ist ja eine uralte geschichte in münchen zb. - gab's dort vor 10, 15 jahren schon fkk - und es war möglich. Das ist einfach schön, wenn sich die leute in den öffentlichen raum begeben und dort was tun....
Die sollen dort trinken, die sollen dort picknicken - schön wäre es, wenn sie ihren unrat auch wieder mitnehmen, aber das tun sie halt leider nicht. Da muß halt die öffentliche hand, der magistrat vorsorge leisten, so wie jetzt in der altstadt, dass er in der früh durchfährt und zusammenputzt. Das muß wohl noch drinnen sein, dass ist ja doch ein relativ begrenzter raum.

Publikum: Kann ich im öffentlichen raum schlafen ?

Dr. Widholm: Ja, mit der ausnahme, wenn es eine ordnungswidrigkeit darstellt oder den öffentlichen anstand verletzt. Also hier am alten markt geht es nicht.

Publikum: Es ist doch nicht unanständig, wenn ein mensch schläft.

Dr. Widholm: Ja, aber der öffentlichen raum ist ein raum, der auch von anderen so benützt werden will, wozu er eigentlich gedacht ist, nämlich zum flanieren - und nicht zum schlafen, er ist ja nicht als campingplatz definiert - und daher kommt das in die richtung öffentlicher anstand.
Auf parkbänken ist das kein thema - es wird ein thema, wenn dann drei herrschaften kommen, die sagen: stehen Sie auf, ich möchte mich da hersetzen. Dann wird es haarig. Die parkbank ist primär zum sitzen und nicht zum schlafen und liegen da.

Arlt: Wenn man es genau nimmt, darf man im öffentlichen raum nur gehen. Selbst das stehenbleiben ist manchmal ein kleines problem.

Dr. Widholm: Auf gehsteigen ist so stehenzubleiben, dass die bestimmungsgemäße widmung des gehsteigs, dass nämlich ein fußgängerverkehr stattfindet, nicht gestört wird.

Publikum: Aber den öffentlichen raum als freiraum gibt es ja dann eigentlich nicht, weil er durch diverse beschränkungen eingeschränkt ist.

Publikum: Nein, das, was ein ärgernis ist, ist nicht geregelt, ist flüchtig. Das ärgernis ist nicht erlaubt, aber was es ist, ist nicht beschrieben. Es ist natürlich auch dem ermessen des beamten überlassen, aber es ist auch kulturellen oder gesellschaftlichen entwicklungen gegenüber offen. Man hat vor 30 jahren in der öffentlichkeit nicht küssen dürfen, das wäre ein öffentliches ärgernis gewesen. Aber es war keine gesetzesänderung nötig, dass jetzt küssen erlaubt ist.

Dr. Widholm: Es hat sich da die judikatur geändert und der öffentlichen meinung angepasst.

Arlt: Wie ist das mit dem trinken von alkohol im öffentlichen raum - ist das strafbar?

Dr. Widholm: Abgesehen von den jugendschutzbestimmungen ist das trinken an öffentlichen orten nicht strafar. Sie können sich zb. da (=alter markt) hinaussetzen mit einem doppelliter wein in der hand und trinken. Problematisch wird es dann, wenn die geschichte umkippt, dass Sie betrunken werden, und so betrunken werden, dass sie die öffentliche ordnung stören, ungebührlicher weise störenden lärm erregen oder im zuge einer amtshandlung ein aggressives verhalten gegen den einschreiter setzen. Aber an sich ist das sitzen mit alkohol erlaubt und nicht verboten. Das ist auch das problem, das wir haben: donauraum, beim brucknerhaus, dort wird immer wieder der wunsch an uns herangetragen, nicht nur seitens der bevölkerung, auch seitens der politik, leute von dort wegzuweisen, weil sei alkohol trinken. Aber da gibt es unsererseits keine möglichkeit, es sei denn, es gäbe eine ortspolizeiliche verordnung, wonach das betreten von grünanlagen verboten wäre. Aber das gibt es in linz nicht - gott sei dank.

Arlt: Aber man kann sich ja anders helfen, indem man dauernd dortsteht als polizei - verstärkte kontrollen: passiert das?

Dr. Widholm: Jein. Zum einen kann ich das personell nicht leisten. Wir machen halt regelmäßig unsere streifen hindurch, die in einem zeitabstand von 2, 3 stunden stattfinden. D.h. Ich kann dort nicht ständig einen posten abgestellt haben. Das wäre a) zu personalintensiv und b) erreiche ich dadurch - unter umständen - genau das gegenteil. Nämlich, dass unser einschreiten bzw. auftreten gegen halbbetrunkene aggressiv macht gegenüber uns und unter dem strich - nach dem opportunitätsprinzip - es gescheiter ist, wenn wir es so machen, wie wir es bisher machen, dass man regelmäßig streifen hindurch schickt, in einem vernünftigen abstand, um zu gewährleisten, dass es zu keinen ausschreitungen kommt, und dass die, die sich zu recht und ordentlich aufhalten, dass die auch eine ruhe vor der polizei haben - die wollen nicht an allen ecken und enden uniformierte sehen.

Arlt: Passiert dort wirklich was?

Dr. Widholm: Es kommt schon zu aggressionsdelikten, körperverletzungen, kleinere raubgeschichten und natürlich auch diversen kleineren rauschgiftkonsumationen.

Arlt: Wo sind denn in linz die polizeilichen brennpunkte?

Dr. Widholm: Das ist zum einen die donaulände, die altstadt - die ist zu einem relativ grossen teil primär gewaltbereit, was völlig normal ist, an einem heissen sommertag, am wochenende, wo sich tausende hier auf engstem raum bewegen. Dann ist es eigentlich in der natur der sache, dass es zu gewalttaten kommt zwischen gruppierungen oder zwischen einzelnen. Ein weiterer brennpunkt ist linz-süd, im infracenter bei den tanztempeln, die nicht nur linzer anziehen, sondern das gesamte umland - und da kommt es auch immer wieder zu aggressionsdelikten.
Das sind im wesentlichen unsere drei brennpunkte, neben anderen kleineren brennpunkten - und natürlich der hauptplatz, als verbindeglied zwischen altstadt und donaulände.

Arlt: Auf stadtviertelebene gibt es keine auffälligkeiten, dass irgendwo mehr passiert als woanders?

Dr. Widholm: Naja, frankviertel, zöhrendorferfeld beim maximarkt, wobei sich die situation wesentlich gebessert hat gegenüber der situation von vor 15, 20 jahren - es hat nicht annähernd mehr die brisanz wie früher.

Arlt: Wenn man als künstler im öffentlichen raum was machen will, ist ja die polizei beim genehmigungsverfahren meistens dabei. Was sind die kriterien für eine genehmigung ?

Dr. Widholm: Wann immer etwas auf der strasse passiert, werden wir gefragt als sachverständige. Genehmigen tut es der magistrat, wobei wir schon im vornherein wissen, was der magistrat möchte und dementsprechend können sie sich vorstellen, wie unsere begutachtung ausfällt. Das ist insofern ein teufelskreis, weil der magistrat zwar die geschichte dann verbietet, aber sich auf uns ausredet. Ich versuche diesen teufelskreis zu unterbrechen und das ist mir auch zuletzt zweimal gelungen.

Die kriterien sind in der strassenverkehrsordnung klar definiert: sicherheit, leichtigkeit und flüssigkeit des verkehrs. das sind groß e begriffe, die dann definiert werden müssen und wir definieren die dann nach unserer einschätzung und erfahrung.

Arlt: Aber es muß doch möglich sein, diesen allmächtigen verkehr zu unterbrechen.

Dr. Widholm: Das macht man ja eh. Beim linzfest, da gibt es seit jahr und tag massive eischränkungen des vekehrs, auch des öffentlichen verkehrs - natürlich ist das ein projekt des magistrats, daher gibt es da von vornherein keine probleme. Also wenn das öffentliche interesse ein sehr großes ist, dann geht das schon, wie zb. auch beim linzmarathon: da kommen aus ganz österreich die marathonläufer mit ihren angehörigen - das kann man argumentieren. Also wenn wien einen hat, dann ist es von massiven interesse, dass linz auch einen bekommt.

Das öffentliche interesse ist natürlich auch dann gross beim kronelinzfest - weil das fest so gross ist. Natürlich ist es auch ein abwägen der interessen der verschiedenen veranstalter. Bei einer bescheidenen institution wie der stadtwerkstatt oder auch der kunstuni, ohne massive lobby, dann sind wir gefordert, wenn alle nein sagen, dass wir es versuchen - wenn es vertretbar ist.

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