Lonstorferplatz / Frackstraße
Das Rolling Art ™ Turnier
Autobuslinien 12,25,27 bis Haltestelle Lonstorferplatz.
Lonstorferplatz
von Eugenie Kain

Der Kebabmann in der Füchselstraße hat das 6er Tragerl in Aktion und im Gemüsekiosk am Lonstorferplatz kriegt man die Erdäpfel auch einzeln. Zwischen A7, Chemie, VÖEST und Eisenbahn gehen Angebot und Nachfrage präziser aufeinander ein als im Rest der Stadt. Im Norden am Europaplatz mit dem Glaspalast und der Bettenburg zählt eine Uhr die Tage bis zum millenium bug. Im Süden an der Fröbelstraße herrscht Endzeit. Dellwolle quillt aus den aufgebrochenen Flanken der Häuser, kaputte Klingeln, finstere Stiegenhäuser, wachsame Blicke hinter schiefen Jalousien, eine heisere Stimme, die einer Katze namens "Lady" schreit. Und die Züge donnern vorbei. Dead-end-street. Ist ein Stadtteil einem lebendigen Organismus gleichzusetzen, dürfte diese Gegend das von Amputation bedrohte Raucherbein sein und der Lonstorferplatz auf der anderen Seite der Franckstraße das Herz. Die vielen Entbehrungen ließßen keine Überfettung zu, der Überlebenskampf bewahrte vor Stillstand, Verkalkung und falschem Schein. Große Platanen als Schattenspender, Brunnen, Kinderschaukel, ein öffentliches Klo aus Stahl, das Cafe Tanja, die Trafik, der Fleischhauer, die Grillstube, der Obsthändler, die Dursthütte, die Blumenfrau und die Ramschtandler. Ein vitales Zentrum. Nahversorger, Nachrichtenumschlagplatz, Erholungsgebiet und Blutwiese, wenn es sein muß. Am Anfang, sagt Anna, war nur ein Kiosk, der hatte warmen Leberkäse. Der Lonstorferplatz war eine Gstättn, da war ein Steg über die Franckstraße, darunter der zugeschüttete Füchselbach, eine Halde. Sie spricht von den 20er Jahren. Entlang der Franckstraße standen Linden, deren Blüten für den Tee gepflückt wurden. Wiesen und Unkraut, das war der Lonstorferplatz. Erst mit dem Bau der Dorfhalle wurde die Franckstraße zur Großbaustelle und dann kamen weitere Kioske. Eingekauft wurde vorwiegend im Eisenbahnerkonsum. Die Arbeitersportler und die Genossen haben zusammengeholfen und dem Kinderfreundeheim ein Planschbecken gebaut. Im Saal vom Gasthaus Zeppelin studierte Eduard Macku mit den Kindern und Jugendlichen Lieder ein, auf Kultur wurde großer Wert gelegt. Später, als im 34er Jahr die Sozialdemokraten verboten wurden, sangen sie als "Konsum - Chor" weiter. Als 80- jährige kehrte sie ins Franckviertel, ins Seniorenheim in der Ing. Stern Straße zurück. Manchmal kauft sie sich eine Kleinigkeit beim Fleischhacker am Lonstorferplatz. Oder sie sitzt mit einer Kollegin aus dem Heim auf einem Bankerl im Schatten. Wenn es ihnen zu weit wird, setzen sie sich zum Brunnen beim Wimhölzlbau. Dort befindet sich auch das Büro von "Streetwork Franckviertel". Die Kids, sagen Walter und Astrid, gehen nicht auf den Lonstorferplatz. Sie kaufen sich ihre Getränke beim Billa, dem wahrscheinlich kleinsten und engsten von Linz und haben eigene Plätze. Mit den Vormittagstrinkern von der Dursthütte wollen sie nichts zu tun haben, von Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, Substandard und ersten Vorstrafen sind auch sie betroffen. Walter hat sich dafür eingesetzt, daß die Jugendlichen den Turnssal der VS "Dorfhalle" benützen dürfen. Eine Fußballmannschaft ist im Entstehen. Er freut sich, daß mit "Glasfieber" endlich wieder einmal Kultur ins Viertel kommt. Viel mehr müßte es sein. Viele Leute, von denen man hört, sie seien aus ihrer Bahn geraten oder abgestürzt, tauchen plötzlich am Lonstorferplatz auf, ein Bier in der Hand, im Gespräch mit Schicksalsgefährten. Ein Zeichen für die Toleranz, sagen Walter und Astrid, die im Franckviertel im allgemeinen und am Lonstorferplatz im besonderen im Umgang miteinander herrscht. Die Lebensweise des anderen wird respektiert. Die Gäste der Dursthütte spielen eine Runde Zehnerln. Drei Alte verlassen das Gemüsegeschäft in Richtung Ampel, in den durchsichtigen Nylonsackerln ein großer Erdapfel, zwei Zitronen, eine Gurke. Vor der Grillstube lassen eine Partie Maler im Arbeitsgewand die Mittagspause ausklingen und im Schanigarten von der Tanja wartet einer bei Apfeltorte und Bier auf seine Freundin, die mit einem 25er kommen muß. Um sich die Zeit zu vertreiben, zählt er die vorbeifahrenden roten Autos. Auf 50 möchte er heute kommen.

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