Rainer Zendron, 4.2.2000, Eröffnung der Ausstellung: AUS DEM UMFELD


Der Titel der Ausstellung "Aus dem Umfeld" stößt uns zu allererst einmal auf die recht banale Tatsache, daß alle Dinge und Menschen in einem Netz von Beziehungen existieren. Doch gesellschaftliche Kontexte, Relationen und Abhängigkeiten, die für Säuglinge und Billakassiererinnen selbstverständlich sind, können von abgeschotteten Systemen, wie Kunstunis über Jahrzehnte hinweg ignoriert werden. So, wie auch noch heutige Professoren und LehrerInnen gesellschaftliches Umfeld, Politik, aber auch aktuelle Strömungen von Kunst und Design aus den Hallen dieser Anstalt aussperren, wurden vor 20 Jahren beträchtliche Anstrengungen von einer Mehrheit der akademischen Lehrer unternommen, StudentInnen vor den Unbillen der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu bewahren.

Die Stadtwerkstatt und ihr Umfeld, deren zwanzigjähriger Kampf um kritische Auseinandersetzung mit Leben und Kommunikation in der Stadt durch die heutige Präsentation gewürdigt wird, entwickelte sich in der spezifischen Biosphäre, die unter der Käseglocke unserer hohen Schule entsteht.

Im Widerstand gegen pädagogische bzw gestalterische hardcore Banausen, die sich hinter holländischen und teutonischen Künstlerpseudonymen verbarrikadierten, wurde der Ruf nach Frischluft laut. Nachdem Provinzialität und Sumpertum in- und außerhalb der Hochschule mit der Zerschlagung von Forum Design die Macht in der Institution errungen hatten, gelang es bis heute nicht mehr, eine Mehrheit für Öffnung und gesellschaftliche Relevanz an der Kunstuni zu verankern.

In dieser Situation kam es zum Zusammenschluß von StudentInnen unterschiedlicher Studienrichtungen. Solche, die innerhalb der eigenen Meisterklasse keine Perspektiven erkennen konnten und Studierenden aus Meisterklassen, deren Leiter - wie Gsöllpointner und Ortner - selber unter dem Mief litten. Gemeinsam gründeten Studierende die Stadtwerkstatt als Anstiftung zur Initiative.

"Die Kunst liegt im Tun" - "nach eigenem Bedürfnis Handeln" oder "Freiräume öffnen" waren die Schlagworte, welche die Arbeiten übertitelten, das auratische Kunstwerk landete im Abseits. Gefordert waren GeralistInnen nicht Spezialisten. Wir lernten im Vorwärtsgehen. In Zeiten, in denen blaue Schüsseln und rechtsextreme Politiker ankündigen, daß Zwangsarbeit für Arbeitslose und Studiengebühren unsere Zukunft erleichtern werden, könnten einige Erfahrungen neue Aktualität gewinnen. Im Kampf gegen soziale Verschlechterung und steigende Zugangsbarrikaden zu den Unis müssen wir uns vor Augen halten, daß Bildung kein Gut ist, welches von Politikern mittels Bildungsscheck weitergegeben wird. Bildung wird bestenfalls immer und immer wieder in der Kommunikation von gleichberechtigten Interessierten neu entstehen. Im kommenden Kampf gegen Einschränkung, Spezialisierung und Elitebildung im Bildungsbereich durch eine Regierung unter Führung von Rechtsextremisten, müssen wir und vor Augen halten, was für StudentInnen vor allem wichtig ist:

Freier Zugang zu mietfreien geheizten Räumen!
Geld zum Überleben!
große Bibliotheken und Videotheken!
und eine recht geringe Anzahl von kollegialen Frauen und Männern, welche bereit sind aus ihrem Leben, ihren Erfahrungen und von ihrer Arbeit zu erzählen.

Die Ausstellung orientiert sich an einem Ausschnitt von Menschen, die als Netzwerk Stadtwerkstatt ausmachten. Viele der Zeichnungen verstehen sich eher als Relikte oder Erinnerungsstücke, als als isolierte Kunstwerke. In vielen der Blätter bildet sich vordergründig keine Radikalität, keine politische Brisanz ab. Denn die Kunst von Stadtwerkstatt kristallisiert sich in Diskussion und Handeln. In welchem Ausma&azlig; formale Gestaltung dem gesellschaftlichen Kontext unterworfen ist, kann ich durch eine Objekt demonstrieren, welches in den frühen 80er Jahren in diesen Räumen ausgestellt war. Erschien diese blaue Schüssel vor 20 Jahren als rein formales Wekstück, so bewirkt heute dieser blaue Schüssel, daß Österreich als Bananenrepublik erscheint. Schließen wir uns zusammen auf daß die blaue Schüssel wieder ins Eck gerückt wird und als Obstschüssel ihrer Aufgabe nachkommt.

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