Es war im Oktober 94, als Tatiana Didenko von "Russian State Television and Radio Broadcast Company" und Marty Lucas von "Paper Tiger TV", New York, Linz besuchten und im hiesigen Landesmuseum russische Videokunst und amerikanische unabhängige Fernseharbeit präsentierten. Kathy Rae Huffman, Amerikanerin, die als "freelance curator of contemporary media arts" tätig ist, äußerte den Wunsch doch gemeinsam ein Multimedianetzprojekt zur Ars Electronica zu realisieren. So saß Stadtwerkstatt TV mit den beiden Amerikanern und der Kollegin aus Rußland im Cafe Landgraf am Brückenkopf in Linz/Urfahr, zusammen. Die nationale Herkunft unserer Patner gab uns Anlaß an die Geschichte des Ortes zu erinnern. Standen sich hier nicht vor fünfzig Jahren Russen und Amerikaner nur durch die Nibelungenbrücke getrennt zehn jahrelang gegenüber.

Damals, nach Ende des zweiten Weltkrieges, wurde Linz geteilte Stadt. Südlich der Donau war die amerikanische und nördlich, in Urfahr, die russische Besatzungszone. Auf der Brücke wurden Checkpoints errichtet, und die Passanten mußten an den Kontrollpunkten amerikanischen und russischen Soldaten ihre Ausweise vorweisen. Ein konkreter Anhaltspunkt des kalten Krieges; Den Soldaten war es nicht gestattet, sich in die jeweils andere Zone zu begeben.

Die Nibelungenbrücke in Linz gibt uns nicht nur Anlaß, sondern ist auch Metapher für dieses Projekt. Sie überbrückt die Donau, welche hier eine natürliche Grenze zwischen dem Norden und dem Süden bildet. Während des römischen Reiches trennte der Fluß Römer und Barbaren. Namensgeber der Brücke sind die dereinst stromabwärts ziehenden Nibelungen. Deren Sage ist eine der wenigen überlieferten europäischen Mythen aus der Zeit der Völkerwanderung.

Jetzt, mit dem Ende des kalten Krieges, nachdem die Blöcke gefallen sind und die Grenzen sich geöffnet haben, vernetzen neue Technologien die Welt mehr und mehr. Grenzen fallen, neue tun sich auf.