KUNST & MILITÄR

Die sicherlich umstrittenste Frage am ganzen Werk ist: Kann es sich der Künstler überhaupt leisten, Flieger als künstlerisches Mittel zu verwenden? Kann er sich überhaupt vom gemeißelten oder gemalten Flieger wegbegeben und statt dessen das Gerät selbst als Mittel einsetzen? Ist es zulässig, diese todbringenden, hypergefährlichen Maschinen, die letztendlich Träger für Atomsprengköpfe, Napalm oder Fuelbomben sind, zu verwenden?

Die Kunst hat schon immer Tod, Eros und die Gefahr thematisiert. Es ist heute nicht mehr unbedingt hilfreich und relevant, die Greuel des Krieges in einen großen Wandteppich zu knüpfen, sondern es geht darum, die Maschine anzugreifen, wie sie wirklich ist. Die Maschine existiert auf alle Fälle. Flieger sind Waffen, das ist von uns bewußt ins Auge gefaßt worden, das schwere Gerät kommt von Luftwaffen aus 6 Nationen, ein paar der Flugzeuge präsentieren sich mit Überflügen von Wiener Neustadt bei einem Abstecher auf ihrem Weg ins Einsatzgebiet Jugoslawien. Ich bin der Ansicht: Man muß mit den Dingen, die die Menschheit geschaffen hat, umgehen, wie sie sind. Sloterdijk sagt in etwa: "Die Atombombe ist da. Sie ist die äußerste Negation, sie ist die Spitze der Zerstörung, sie ist der negative Buddha. Man kann vor sie nur mehr hinknien und beten, auf daß sie nicht ausbreche." In diesem Sinn verstehe ich auch den Umgang mit den Fliegern: Ihnen zu huldigen und Opferspiele zu machen, um ihre praktische Anwendung zu bannen.

Inselflüchter oder Maschinenstürmer zu sein, ist fast nicht mehr möglich. Und wir haben jetzt den heiklen Weg eingeschlagen, die Dinge anzugreifen, sie zu berühren. Das ist jetzt die künstlerische Grundforderung.

Die Stadtwerkstatt ist mit dieser Idee an das Bundesheer herangetreten, um das Militär zu bitten,sein Potential für diese zivile Veranstaltung zur Verfügung zu stellen. Es widerspricht ziemlich allem bisher Dagewesenen. Außer bei Schiweltmeisterschaften und sonstigen Sportveranstaltungen oder dem Wienmarathon, gibt es kaum zivile Veranstaltungen, bei denen das Militär eine solche Unterstützung liefert. Es war heikel, diesen Zustand herzustellen. Es gibt wenige Leute beim Militär, die Offenheit signalisieren, sich mit Kunst einzulassen. Wir hatten den ersten Kontakt mit dem Militär beim Stadtwerkstatt TV Projekt "Niemand ist sich seiner sicher", 1991. Baumsprengung, Autoabsturz, die ganzen Spezialeffekte sind vom österreichischen Bundesheer ausgeführt worden. Solche Vorhaben sind sehr aufwendig, sodaß wir mit den vorhandenen Mitteln nicht das Auslangen finden.

Wir haben aber auch den konzeptionellen Ansatz, Kunst mit öffentlichen Einrichtungen zu machen. Da gibt es eine Vielzahl von Beispielen: So hat ein Wirtschaftshof-Lkw vier Tonnen Glas-Fehlproduktion auf den Hauptplatz gekippt, die dann von Straßenkehrern wieder zurückgeschaufelt wurden. Es stellt sich also nicht der Künstler hin und spielt den Saubermann, sondern die, die sich immer um den Dreck kümmern, sollen auch bei der Kunst den Dreck wegschaufeln, aber demonstrativ, auf der Bühne und vor Publikum. Wir haben mit der Feuerwehr zusammengearbeitet und wir haben auch schon sehr lange im Kopf gehabt, das Militär einzubinden, eben inhaltlicherweise, daß über die Kultur eine inhaltliche Auseinandersetzung, eine Ritualisierung, stattfindet. Und unser Ansatz ist eben der: nachdem nicht abzusehen ist, daß das Militär abgeschafft wird, dem Militär sozusagen eine größtmögliche kulturelle Widmung zu geben. Eine kurzfristige Umwidmung.

(Georg Ritter im Interview mit der Friedenswerkstatt, veröffentlicht im "Versorger" Nr. 30, September 1994)


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