|
NIEMAND IST SICH SEINER SICHER Ein Live-Fernsehstück in mehreren gleichzeitig stattfindenden Handlungsebenen. Es durchleuchtet psychisch und materiell das Phänomen kontrollierten Lebens. Die Überlegungen konzentrieren sich auf die Bedeutung des Themas in bezug auf die menschliche Existenz und den damit verbundenen Alltag. Ein hohes Maß an Lebensqualität bedingt ein hohes Maß an Kontrolle über mögliche Störfaktoren. Heute sind wir konfrontiert mit einer hochentwickelten Kultur der Sicherheitssysteme, die inzwischen eine starke Eigendynamik entwickelt haben. Dem Unbedarften flößen sie schon wieder Angst und Unsicherheit ein. Wir wollen wissen, wie Menschen ihr Leben tagtäglich unter Kontrolle haben und wie sie mit ihrer Existenz umgehen. Das damit verknüpfte Aufrechterhalten von Wertvorstellungen (was schützt man und wovor) ergibt nur scheinbar ein Geflecht zur Stabilisierung der Existenz. Letztendlich zeigen sich darin aber paranoide Bruchstellen, so, daß sich keiner mehr seiner sicher sein kann. Der Hang zur Kontrolle, der für viele einen primären Überlebensfaktor darstellt, erweist sich als Falle. Die Vernunft lehrt, daß wir nicht wissen können, was in der nächsten Sekunde geschieht. Orte des Geschehens sind auf, unter und neben der Vöestbrücke beim Autobahnknoten Linz/Urfahr am Donauufer. Oben überquert die Autobahn das Gebiet. Darunter befindet sich eine Freizeitsportanlage für Stockschützen. Auch die Wege für Spaziergänger, Radfahrer, Läufer und Hundebesitzer führen hier durch und weiter entlang des Donauufers in das Erholungsgebiet. Ein öffentlicher Raum, der vieles in sich birgt und mehrere für uns markante Ebenen beinhaltet. Diese stellen in ihrer physischen Gegebenheit unsere dramaturgischen Anhaltspunkte dar. Unterschiedliche autonome Handlungsebenen funktionieren gleichzeitig, werden miteinander verknüpft und stehen unvermeidlich zueinander in Beziehung. OBEN die Autobahn, das geordnete und geregelte System des Straßenverkehrs. Sie ist dramaturgisches Sinnbild der rationalen Ebene - die Kopfebene sozusagen. Was bewegt den Verkehr? Ein populäres, kontroversielles Thema, bei dem individuelle Freiheit und Begrenzung starker Kontrolle und Selbstkontrolle unterliegen. Genau das versuchen wir künstlerisch aufzuarbeiten. Hier Bewegung und Fortbewegung der Menschen, da die Hängebrücke. Und weil Autos nicht fliegen können, funktioniert die Brücke wie eine Krücke. UNTER der Brücke - die Triebebene. Ein offener, aber überdachter Raum, gleich einer Halle. Die Asphaltstockschützenanlage ist Aktionsfläche, die eiserne Brückenkonstruktion mit ihren fahrenden Arbeitsbühnen Schnürboden. Dieser Raum ist eine Zwischenstation für Freizeittreibende und Vertriebene. Unterwelt. NEBEN der Brücke liegen Auwiesen, ein Überschwemmungsgebiet, der Wasserdamm und der Radfahrweg. Eine zivilisatorische Mischform verschiedener Frei-Zeit-Räume. Die grüne Wiese, der Wuchs, die Lethargie. Eine Bilderbuchidylle. Mitten drin ein Kleinfamilienhaus, die heile Welt in der Heilhamer Au. Dort ist unsere Fernsehfamilie einquartiert - ein Wohnzimmer, bevölkert mit Vertretern aller Generationen und Geschlechter. Ein gemütlicher Abend mit Plauderei, Essen, Trinken, Fernsehen. Eine reflexive Schleife über unser laufendes Programm, für unsere Zuseher telefonisch erreichbar. Manipulierte Informationen auf der Mattscheibe schüren Konflikte. Außerhalb gleichzeitig eine Debatte. Geladene Gäste, von den Maximen ihres Lebens überzeugt, erläutern ihre eigenen Überlebensstrategien. Abgeklärt, saturiert und vom Durchblick gezeichnet. Menschen, die wissen, wie sie ihr Leben unter Kontrolle halten. Es passiert eine suggestive Zerlegung ihrer Sichtweisen; nicht um diese Menschen zu deklassieren, sondern um das Funktionieren solcher selbstauferlegter oder angelernter Kontrollmechanismen im Zuge der Verunsicherung sichtbar zu machen. Eine Gruppe sozialer Desperados hat sich eingenistet. Wir versorgen sie mit Alkohol, stellen Kühlschrank, Feuerholz und Müllcontainer bereit. Auch sie sind telefonisch erreichbar ­ eine soziale Plastik. Es ist, als würde mit der Zeit eine unabhängige Kraft von außen her umgestaltend auf die Gesamtsituation einwirken. Es beginnt im Kleinen und nimmt verheerendes Ausmaß an. In zugespitzter Form ist dies die stoffliche Veranschaulichung eines permanenten Veränderungsprozesses. Nichts ist in Ruhe. Die Uhr ist ein Wassersack. Dekonstruktion und Neuschaffung. Der Zuseher kann Vorgänge mittels seiner Telefontastatur auslösen, ohne daß er sich dazu äußern muß - auf Knopfdruck. Der Zuseher übernimmt Verantwortung. Das TV-Bild des realen Aktionsraums wird dem virtuellen Raum des Videospiels gegenüber- bzw. gleichgesetzt. Ein System wird geschaffen und sich selbst überlassen. Jeder ist potentieller Täter. Zwei unterschiedliche Telefonnummern können angewählt werden. Ein einfaches Mehrheitsverhältnis verhindert dadurch einen folgenschweren Vorgang oder löst ihn aus.
HIGHLIGHT DER SENDUNG: DIE HUNDESPRENGUNG |
![]()
|